Mit diesem Text wollen wir eine Diskussion um Unterstützungsmöglichkeiten und -arten von anderen CSDs anregen. Da es sich um einen möglichst kurzen Text handelt, sind manche Gedanken nicht so sehr ausgearbeitet, wie wir es gerne hätten. Lasst uns gerne eure Anmerkungen und Kritik zukommen und kommentiert, was eurer Meinung nach zu kurz gekommen ist!
Der Christopher Street Day
Die Ursprünge des Christopher Street Days gehen aber auf das Jahr 1969 zurück: Wütende Queers, darunter viele Dragqueens und trans* Menschen aus der Schwarzen und lateinamerikanischen Community, wehrten sich in der Christopher Street militant gegen die unerträgliche Unterdrückung seitens der New Yorker Polizei (niemals “Freund und Helfer!“). Es handelte sich also um einen spontanen, militanten Aufstand gegen Polizei- und Staatgewalt, die dort immer wieder brutale Razzien durchführte. Der darauf reagierende Aufstand geschah gemeinsam, war vielfältig, und wurde nicht von irgendwem “angeführt“.
Die heutigen Veranstaltungen unter dem Begriff des Christopher Street Days (CSD) haben sich verändert. Ihr politischer Ursprung ist teilweise unbekannt und die meisten CSD-Veranstaltungen finden weitestgehend entpolitisiert und als Party und Saufgelage statt.
Extrem-rechte Mobilisierung gegen die CSDs
(Die Informationen stammen von einem Vortrag des Recherche-Kollektivs AK.fein.)
Doch egal ob explizit antikapitalistischer CSD oder unkritischer, konsumverherrlichende Veranstaltung: Die rechte Raumnahme und Gewaltandrohung haben vor allem letztes Jahr für viel Schrecken gesorgt. Dazu sei gesagt, dass queere Menschen auch vor dem vergangenen “CSD-Sommer“ Anfeindungen ausgesetzt waren.
Letztes Jahr hat die extreme Rechte Mobilisierungserfolge feiern können. Vor allem mit der Gleichsetzung Queer = Links = Feind. Die extrem rechten Angriffe in Bautzen waren so etwas wie ein Kipppunkt. Auch dieses Jahr besteht die Gefahr, dass es einen solchen Kipppunkt gibt. Diese Gefahr ist in kleineren Orten am größten, da Rechte dort einfacher das Kräfteverhältnis für sich entscheiden können. Viele dieser kleineren CSDs fanden das erste Mal statt (18%), und auch wenn es keinen Zusammenhang zwischen der Erstmaligkeit eines CSDs und den rechten Angriffen gegeben haben mag, so bieten mehr CSDs auch mehr Angriffsfläche.
Was will die extrem Rechte bei diesen Anti-CSD-Protesten erreichen?
Vor allem die Gleichsetzung von queer=links durchsetzen und darauf aufbauend eine bürgerliche Entsolidarisierung von den CSDs und die Dominanz über städtische Räume erreichen. Queerfeindlichkeit ist dabei ein leicht abrufbares Thema. Darum sind die Anti-CSD-Proteste auch nicht unbedingt auf weitere Anschlussfähigkeit ausgerichtet: Schließlich ist Queerfeindlichkeit eines der Querfront-Bindeglieder schlechthin.
Erfahrungen aus dem letzten Jahr
Erfahrungen, die wir aus dem vergangenen Jahr ziehen können, sind, dass eine unpolitischere Ausrichtung eines CSDs keinen Schutz bedeutet. Ein wirklicher Schutz (ohne die Polizei natürlich) war oft nur mit guter Zusammenarbeit und Bündnissen in der Lokalpolitik möglich. Eine wichtige Voraussetzung waren Absprachen zwischen der CSD-Orga und Antifaschist*innen. Und damit kommen wir jetzt auch zu dem Knackpunkt dieses Textes.
Dos and Don’ts?
Die Überlegungen entstammen den Erfahrungen von manchen CSDs des letzten Jahres und der Art und Weise, wie dieses Jahr von unserer Seite aus zu manchen CSDs mobilisiert wird. Zuallererst: Wir betrachten es (aus (unserer(?)/)der Hamburger Brille) als sehr positiv, dass es viele Pläne gibt, zu anderen CSDs zu fahren und diese zu unterstützen. Letztes Jahr geschah das meist spontan – mit der ein oder anderen Begleiterscheinung, die wir kritisieren wollen.
Verlust queerer Sichtbarkeit
So kam es vergangenes Jahr dazu, dass kleinere CSDs ganz spontan stark aus der Stadt unterstützt wurden. Allerdings ist es jetzt auch keine neue Erkenntnis, dass Stadt-Antifas sich sporadisch und für ein isoliertes Ereignis aus ihrem Kiez hinausbewegen, “um mal das “Hinterland“ zu unterstützen“. Eine wirkliche Unterstützung ist es aber vielleicht gar nicht, wenn du vermummt zum kleinen CSD auftauchst, um endlich mal einen Fascho zu sehen und rumzupöbeln. Vielleicht vergisst du auch, dass du auf einer explizit queeren Demonstration bist und dir fällt auch gar kein passender Demo-Spruch ein. Queere Sichtbarkeit ging so hier und da verloren. Anschlussfähig ist ein schwarzer Block, der immer nur dieselbe Parolle ruft, auch nicht gerade.
Vereinnahmung
Es mutet auch unangenehm an, sich als Städter*in in die vorderen Reihen zu stellen und die Demo so für sich zu vereinnahmen. Völlig egal, ob jetzt mit der autonomen Kleingruppe oder mit deinen Organisationsfahnen. Es geht hier schließlich nicht um dein Ego oder Agitation aus Eigeninteresse. Uns wurde aber auch von Genoss*innen aus kleineren Städten mitgeteilt, dass es auch gut sein kann, wenn organisierte Leute aus der Großstadt vorne laufen und z.B. Banner tragen. Auch hier gilt also: Kommunikation!
Überlege dir doch vorher, was überhaupt von den lokalen Queers und Antifas erwünscht ist, bevor du mal für einen Tag vorbeihuschst. Die Konsequenzen ausbaden musst schließlich nicht du – das sind dann die Menschen, die anschließend wieder im Ort z.B. zur Schule, zur Ausbildung oder zur Arbeit gehen.
Wortwahl
Vielleicht ist es also gar nicht so super, zu denken, du fährst jetzt in die Kleinstadt und “beschützt“ dort die Menschen, wenn du eigentlich nur für ein paar Stunden da bist, mit niemandem vor Ort geredet hast und danach auch wieder weg bist. Vielleicht ist es auch gar nicht so sinnvoll, der*die Beschützer*in zu spielen und danach zu behaupten, du hättest eine Demo jetzt beschützt. Es wäre schon etwas getan, wenn wir an unserer Wortwahl arbeiten und keine “Stadt-Land“-Hierarchie vermitteln. Wir sollten eine politische Zusammenarbeit auf Augenhöhe anstreben.
Das alles sind Punkte, die für die kommenden Monate einfach berücksichtigt werden können. Und wir wollen auch gar nicht in Frage stellen, dass das mancherorts schon so gemacht wird.
Also:
Do’s
- Kommunikation mit den Menschen vor Ort (im besten Fall danach aufrechterhalten!)
- Gute Sprüche mitbringen, (vielleicht nicht nur „Hurra, Hurra, die Antifa ist da“ – ist ein bisschen unangenehm)
- Nutzt gemeinsame An- und Abreisen!
- Und natürlich: Queerfeindlichkeit ernst nehmen und auch als solche benennen!
Don’ts
- Sich in die vorderen Reihen stellen und die Demo vereinnahmen
- Keine Mackerei
- Kein Rumgepöbel (außer erwünscht?)
- Wortwahl hinterfragen (“Hinterland“, den*die “Beschützer*in“ spielen)
Hier sind ein paar Sprüche:
- We will not be quiet, Stonewall was a riot!
- Alle wollen das selbe, Macker/B*llen in die Elbe – und wir wollen mehr: TERFS hinterher!
- FLINTA*, die kämpfen, sind FLINTA*, die leben – Lasst uns das System aus den Angeln heben!
- A – Anti – Anticapitalista!
- Alerta, Alerta, Queerfeminista! (/Antifascista)
- Was kotzt uns so richtig an? Die Einteilung in Frau und Mann!
- One solution – queer revolution!
- No border, no nation, queer liberation!
- No justice, no peace, fight the police!
- Free Maja!
- Gegen Macker und Sexisten- Fight the Power, Fight the System!!
- However I dress, wherever I go – Yes means Yes, No Means No!
- Schlechtes Wetter, harte Zeiten, für den Feminismus fighten!
- Ehe, Küche, Vaterland – schwarz, rot, gold wird abgebrannt! / – unsere Antwort Widerstand!
- Gutes Wetter, harte Zeiten – für den Feminismus streiten!
- Rollendenken? Hahaha! Röcke sind für alle da!
- Lasst es glitzern, lasst es knallen. Sexismus in den Rücken fallen!
Literatur zur Vertiefung
- „Demonstrationen, Angriffe und Störungen: Nazis greifen queeres Leben an. Ein Rückblick auf die Pride-Saison 2024.“ (AK Fe.In, NSU-Watch, 02.05.2025)
- „CSDs im Osten. Wachsenden Bedrohungen entgegnen.“ (nd., 15.05.2025)
- „Stonewall Means Riot Right Now. What the Queer Uprisings of 1969 Share with the George Floyd Protests of 2020.“ (CrimeThinc, 28.06.2020)
- „Queer Liberation is Class Struggle.“ (Black Rose/Rosa Negra Anarchist Federation, 26.03.2018)