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Holt Maja zurück!

Seit über einem Jahr befindet sich Maja – ein*e nicht-binäre:r Antifaschist*in – rechtswidrig im ungarischen Gefängnis. Unbeachtet von der “feministischen Außenpolitik“, unbeachtet von der aktuellen Regierung. 

Seit bald einem Monat befindet sich Maja im Hungerstreik, immer noch unbeachtet von den politischen Entscheidungsträger*innen. 

Seit heute befindet sich Maja aufgrund dieser Politik und den deutschen Behörden im Krankenhaus. Denn Maja hätte niemals nach Ungarn ausgeliefert werden dürfen, hätte dort niemals unter weißer Folter gequält werden dürfen, hätte niemals in den Hungerstreik treten müssen, wenn deutsche Behörden nicht eine Blitzauslieferung nach Ungarn durchgeführt hätten. Als das Bundesverfassungsgericht wenige Stunden später entschied, dass Maja hier bleiben müsse, war es schon zu spät. Dieser Vorgang kann nicht genug skandalisiert werden. 

An Maja und an der gesamten antifaschistischen Bewegung wird gerade ein Exempel statuiert. Mittlerweile sind auch andere Antifaschist*innen, die sich lange Zeit der Verhaftung entzogen hatten, inhaftiert: Moritz, Paula, Tobi, Nele, Paul, Luca, Emmi und Johann. Clara sitzt hier in Hamburg im Gefängnis. Am 04.07. findet vor der JVA Billwerder eine weitere Kundgebung statt @familyfriendshamburg. Zaid ist aufgrund seiner syrischen Staatsbürger*innenschaft am meisten von einer Auslieferung nach Ungarn bedroht @freiheit_fuer_zaid. 

Bereits am 14.06. fand in Jena die „Antifa ist notwendig“-Demonstration mit einer Beteiligung von um die 6.000 Teilnehmenden statt. Es folgten die antifaschistischen Aktionstage vom 20.-22.06. Heute, am 01. Juli startet eine weitere Kampagnen-Phase, um Druck auf die SPD und die CDU auszuüben: Sucht gemeinsam SPD- und CDU-Büros auf. Kontaktiert Bundestagsabgeordnete. Kontaktiert das Auswärtige Amt. Findet andere Aktionsformen, um Druck aufzubauen. 

Es gibt noch viel mehr zum Budapest-Komplex zu schreiben: Zum Zusammenhang mit dem Antifa-Ost-Komplex, zur Strategie der Repressionsbehörden und ihrer rechtsextremistischen Durchsetzung. Warum reagiert die rechtsextreme Meloni-Regierung in Italien auf die menschenunwürdige Behandlung der angeklagten Antifaschist*in Ilaria Salis mit der Einbestellung des ungarischen Botschafters, die deutschen Regierungen aber nicht? Warum schaffte es Italien, Ilaria zurückzuholen, in Deutschland wird aber kein Finger gerührt? Wie wird Antifaschismus in Deutschland betrachtet, wenn Friedrich Merz Antifaschist*innen als „grüne und linke Spinner“ bezeichnet und verkündet: „Links ist vorbei“? 

Dieses „Links ist vorbei“ ist bereits im vollen Gange. Das war es auch schon vor Merz. Wir verwenden gerade zurecht viel Energie, um Maja zurückzuholen und andere Antifaschist*innen zu unterstützen. Aber dieses „Links ist vorbei“ bedeutet eben auch: Mehr Ausbeutung, mehr Abschiebungen, mehr unterdrückerische Gewalt. Wir müssen für alle Menschen einstehen, die unter „Links ist vorbei“ leiden müssen. Wir müssen mit der gleichen Energie für die Menschen einstehen, die in Abschiebeknästen einsitzen, die von der Polizei aus ihrem Wohnungen, aus den Schulen, aus ihren Leben gezerrt werden. Und am besten benötigen wir noch viel mehr solidarische Entschlossenheit: Kein Vertrauen in den Staat, kein Vertrauen in irgendwelche Behörden, Gerichte und Parteien, wenn diese sich über Menschenrechte hinwegsetzen. Antifaschismus, genauso wie die anderen Kämpfe gegen Unterdrückung und Ausbeutung sind und bleiben Handarbeit. Organisiert euch dagegen in Treffen gegen Rechts, in Stadteiltreffs, Freiräumen, Initiativen etc.: Es gibt genügend Möglichkeiten.

Wir wünschen allen Antifaschist*innen, ob inhaftiert oder auf der Flucht, viel Kraft und Solidarität. Genauso allen, die von der Gewalt inform von Abschiebungen, Polizeigewalt und und und betroffen sind. 

Mehr Infos zum Budapest-Komplex findet ihr unter basc.news (@basc.news) und @free.maja

Solidarische Grüße vom Knallo 

How To CSDs in Kleinstädten unterstützen: Gedanken zum CSD und antifaschistischer Unterstützungsarbeit

Mit diesem Text wollen wir eine Diskussion um Unterstützungsmöglichkeiten und -arten von anderen CSDs anregen. Da es sich um einen möglichst kurzen Text handelt, sind manche Gedanken nicht so sehr ausgearbeitet, wie wir es gerne hätten. Lasst uns gerne eure Anmerkungen und Kritik zukommen und kommentiert, was eurer Meinung nach zu kurz gekommen ist!

Der Christopher Street Day 

Die Ursprünge des Christopher Street Days gehen aber auf das Jahr 1969 zurück: Wütende Queers, darunter viele Dragqueens und trans* Menschen aus der Schwarzen und lateinamerikanischen Community, wehrten sich in der Christopher Street militant gegen die unerträgliche Unterdrückung seitens der New Yorker Polizei (niemals “Freund und Helfer!“). Es handelte sich also um einen spontanen, militanten Aufstand gegen Polizei- und Staatgewalt, die dort immer wieder brutale Razzien durchführte. Der darauf reagierende Aufstand geschah gemeinsam, war vielfältig, und wurde nicht von irgendwem “angeführt“.

Die heutigen Veranstaltungen unter dem Begriff des Christopher Street Days (CSD) haben sich verändert. Ihr politischer Ursprung ist teilweise unbekannt und die meisten CSD-Veranstaltungen finden weitestgehend entpolitisiert und als Party und Saufgelage statt.

Extrem-rechte Mobilisierung gegen die CSDs 

(Die Informationen stammen von einem Vortrag des Recherche-Kollektivs AK.fein.)

Doch egal ob explizit antikapitalistischer CSD oder unkritischer, konsumverherrlichende Veranstaltung: Die rechte Raumnahme und Gewaltandrohung haben vor allem letztes Jahr für viel Schrecken gesorgt. Dazu sei gesagt, dass queere Menschen auch vor dem vergangenen “CSD-Sommer“ Anfeindungen ausgesetzt waren. 

Letztes Jahr hat die extreme Rechte Mobilisierungserfolge feiern können. Vor allem mit der Gleichsetzung Queer = Links = Feind. Die extrem rechten Angriffe in Bautzen waren so etwas wie ein Kipppunkt. Auch dieses Jahr besteht die Gefahr, dass es einen solchen Kipppunkt gibt. Diese Gefahr ist in kleineren Orten am größten, da Rechte dort einfacher das Kräfteverhältnis für sich entscheiden können. Viele dieser kleineren CSDs fanden das erste Mal statt (18%), und auch wenn es keinen Zusammenhang zwischen der Erstmaligkeit eines CSDs und den rechten Angriffen gegeben haben mag, so bieten mehr CSDs auch mehr Angriffsfläche. 

Was will die extrem Rechte bei diesen Anti-CSD-Protesten erreichen? 

Vor allem die Gleichsetzung von queer=links durchsetzen und darauf aufbauend eine bürgerliche Entsolidarisierung von den CSDs und die Dominanz über städtische Räume erreichen. Queerfeindlichkeit ist dabei ein leicht abrufbares Thema. Darum sind die Anti-CSD-Proteste auch nicht unbedingt auf weitere Anschlussfähigkeit ausgerichtet: Schließlich ist Queerfeindlichkeit eines der Querfront-Bindeglieder schlechthin. 

Erfahrungen aus dem letzten Jahr

Erfahrungen, die wir aus dem vergangenen Jahr ziehen können, sind, dass eine unpolitischere Ausrichtung eines CSDs keinen Schutz bedeutet.  Ein wirklicher Schutz (ohne die Polizei natürlich) war oft nur mit guter Zusammenarbeit und Bündnissen in der Lokalpolitik möglich. Eine wichtige Voraussetzung waren Absprachen zwischen der CSD-Orga und Antifaschist*innen. Und damit kommen wir jetzt auch zu dem Knackpunkt dieses Textes. 

Dos and Don’ts? 

Die Überlegungen entstammen den Erfahrungen von manchen CSDs des letzten Jahres und der Art und Weise, wie dieses Jahr von unserer Seite aus zu manchen CSDs mobilisiert wird. Zuallererst: Wir betrachten es (aus (unserer(?)/)der Hamburger Brille) als sehr positiv, dass es viele Pläne gibt, zu anderen CSDs zu fahren und diese zu unterstützen. Letztes Jahr geschah das meist spontan – mit der ein oder anderen Begleiterscheinung, die wir kritisieren wollen. 

Verlust queerer Sichtbarkeit 

So kam es vergangenes Jahr dazu, dass kleinere CSDs ganz spontan stark aus der Stadt unterstützt wurden. Allerdings ist es jetzt auch keine neue Erkenntnis, dass Stadt-Antifas sich sporadisch und für ein isoliertes Ereignis aus ihrem Kiez hinausbewegen, “um mal das “Hinterland“ zu unterstützen“. Eine wirkliche Unterstützung ist es aber vielleicht gar nicht, wenn du vermummt zum kleinen CSD auftauchst, um endlich mal einen Fascho zu sehen und rumzupöbeln. Vielleicht vergisst du auch, dass du auf einer explizit queeren Demonstration bist und dir fällt auch gar kein passender Demo-Spruch ein. Queere Sichtbarkeit ging so hier und da verloren. Anschlussfähig ist ein schwarzer Block, der immer nur dieselbe Parolle ruft, auch nicht gerade. 

Vereinnahmung 

Es mutet auch unangenehm an, sich als Städter*in in die vorderen Reihen zu stellen und die Demo so für sich zu vereinnahmen. Völlig egal, ob jetzt mit der autonomen Kleingruppe oder mit deinen Organisationsfahnen. Es geht hier schließlich nicht um dein Ego oder Agitation aus Eigeninteresse. Uns wurde aber auch von Genoss*innen aus kleineren Städten mitgeteilt, dass es auch gut sein kann, wenn organisierte Leute aus der Großstadt vorne laufen und z.B. Banner tragen. Auch hier gilt also: Kommunikation!

Überlege dir doch vorher, was überhaupt von den lokalen Queers und Antifas erwünscht ist, bevor du mal für einen Tag vorbeihuschst. Die Konsequenzen ausbaden musst schließlich nicht du – das sind dann die Menschen, die anschließend wieder im Ort z.B. zur Schule, zur Ausbildung oder zur Arbeit gehen. 

Wortwahl

Vielleicht ist es also gar nicht so super, zu denken, du fährst jetzt in die Kleinstadt und “beschützt“ dort die Menschen, wenn du eigentlich nur für ein paar Stunden da bist, mit niemandem vor Ort geredet hast und danach auch wieder weg bist. Vielleicht ist es auch gar nicht so sinnvoll, der*die Beschützer*in zu spielen und danach zu behaupten, du hättest eine Demo jetzt beschützt. Es wäre schon etwas getan, wenn wir an unserer Wortwahl arbeiten und keine “Stadt-Land“-Hierarchie vermitteln. Wir sollten eine politische Zusammenarbeit auf Augenhöhe anstreben. 

Das alles sind Punkte, die für die kommenden Monate einfach berücksichtigt werden können. Und wir wollen auch gar nicht in Frage stellen, dass das mancherorts schon so gemacht wird. 

Also:

Do’s

  • Kommunikation mit den Menschen vor Ort (im besten Fall danach aufrechterhalten!)
  • Gute Sprüche mitbringen, (vielleicht nicht nur „Hurra, Hurra, die Antifa ist da“ – ist ein bisschen unangenehm) 
  • Nutzt gemeinsame An- und Abreisen! 
  • Und natürlich: Queerfeindlichkeit ernst nehmen und auch als solche benennen! 

Don’ts

  • Sich in die vorderen Reihen stellen und die Demo vereinnahmen 
  • Keine Mackerei
  • Kein Rumgepöbel (außer erwünscht?) 
  • Wortwahl hinterfragen (“Hinterland“, den*die “Beschützer*in“ spielen)

Hier sind ein paar Sprüche:

  • We will not be quiet, Stonewall was a riot! 
  • Alle wollen das selbe, Macker/B*llen in die Elbe – und wir wollen mehr: TERFS hinterher! 
  • FLINTA*, die kämpfen, sind FLINTA*, die leben – Lasst uns das System aus den Angeln heben! 
  • A – Anti – Anticapitalista! 
  • Alerta, Alerta, Queerfeminista! (/Antifascista)
  • Was kotzt uns so richtig an? Die Einteilung in Frau und Mann! 
  • One solution – queer revolution! 
  • No border, no nation, queer liberation! 
  • No justice, no peace, fight the police! 
  • Free Maja! 
  • Gegen Macker und Sexisten- Fight the Power, Fight the System!!
  • However I dress, wherever I go – Yes means Yes, No Means No!
  • Schlechtes Wetter, harte Zeiten, für den Feminismus fighten!
  • Ehe, Küche, Vaterland – schwarz, rot, gold wird abgebrannt! / – unsere Antwort Widerstand! 
  • Gutes Wetter, harte Zeiten – für den Feminismus streiten!
  • Rollendenken? Hahaha! Röcke sind für alle da!
  • Lasst es glitzern, lasst es knallen. Sexismus in den Rücken fallen!

Literatur zur Vertiefung

  • „Demonstrationen, Angriffe und Störungen: Nazis greifen queeres Leben an. Ein Rückblick auf die Pride-Saison 2024.“ (AK Fe.In, NSU-Watch, 02.05.2025)
  • „CSDs im Osten. Wachsenden Bedrohungen entgegnen.“ (nd., 15.05.2025) 
  • „Stonewall Means Riot Right Now. What the Queer Uprisings of 1969 Share with the George Floyd Protests of 2020.“ (CrimeThinc, 28.06.2020)
  • „Queer Liberation is Class Struggle.“ (Black Rose/Rosa Negra Anarchist Federation, 26.03.2018)

Positionierung gegen den „Nationalen Veteranentag“ am 15.06.: Solidarität mit jeder Desertation, Kriegsdienstverweigerung und Sabotage!

Am Sonntag dem 15.06. finden bundesweit 60 Veranstaltungen zum Veteranentag statt. Das alles dient einer militärischen Mobilmachung, die in unseren Köpfen anfangen soll. 

100 Milliarden für die Bundeswehr im Jahr 2022, dieses Jahr das erneute „500-Milliarden-Sondervermögen für Bundeswehr und Infrastruktur“ – sonst überall: Kürzungen, Kürzungen, Kürzungen. Deutschland will sich – mit den Worten Lars Klingbeils – „nach 80 Jahren der Zurückhaltung“ (Was war da nochmal?) wieder als militärische Großmacht ins Rampenlicht spielen. Junge Menschen werden mit kriegsverherrlichenden und patriarchal gestalteten YouTube-Serien angeworben. Militär soll endlich wieder „cool“ sein.

Diese Entwicklung der Hochrüstung ist nicht nur auf Deutschland beschränkt, sondern mündet in einen globalen Militarisierungs-Wettstreit, in dem „wir“ „mithalten“ sollen, heißt: „Kriegstüchtig“ werden – Zitat von Pistorius. Der wird am Sonntag auf dem Rathausmarkt einen “militärischen Appell abhalten“, also vor Bundeswehrsoldat*innen eine kleine Kriegsrede halten oder so. Ach, und Scharfschützen sind zum Schutz des hohen Besuchs natürlich auch dabei. 

An den Universitäten wird derweil geforscht.  Auch, was das Militär betrifft. Die universitären Forschungsergebnisse kommen im Ausland zum Einsatz. Zum Beispiel in Gaza, wo deutsche Waffen ohnehin schon verwendet werden, um die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben und auszulöschen. Dazu werben die Universitäten mit ihren Partnerhochschulen in Israel und immer mehr Stimmen aus der Politik fordern mehr Bereitschaft zum Dienst an der Waffe. 

Was macht ein hochgerüstetes Militär denn noch so? Zum Beispiel Aufstände im eigenen Land niederschlagen. Wie gerade in den USA, wo die Aufstände gegen des autoritäre Abschiebe-Regime brutal angegriffen werden. Oder aber die Waffen verschwinden einfach direkt aus den Kasernen und landen dann bei neonazistischen Gruppierungen, die den Tag X damit planen und Schießtrainings veranstalten. Echt „cool“. 

Antimilitarismus muss auch von uns stärker diskutiert werden. In einer bereits zu langen Instagram-Caption funktioniert das natürlich nicht. Wir wissen auch um die komplizierten Situationen, in denen sich politische Mitstreiter*innen derzeit wiederfinden – etwa im Kampf gegen das russische Regime. 

Wir hoffen auf eine politische Flaute des ersten Veteranentags am Sonntag. Und auf einen starken Gegenprotest! Es gibt Anreisemöglichkeiten aus Hamburg (@il_hamburg) nach Vechta, wo eine nochmal größere Militär-Nummer abgezogen wird. In Hamburg gibt es bereits angemeldete Gegenproteste. Es wird auch ein anarchistisches Sommerfest, unter anderem mit Redebeiträgen und Infoständen an der Ölmühle geben (13-17 Uhr). Am 26.-31.08. findet außerdem das @rheinmetallentwaffnen Camp und die dazugehörigen Aktionstage statt. Weiterführende Texte, wie immer zur Diskussion: 

https://keinwehrdienst.noblogs.org 


https://emrawi.org/?Beitrag-zum-Veteranentag-in-Deutschland-aus-anarchistischer-Sicht-3673


https://antikrieg.noblogs.org/materialien-gegen-den-veteranentag/


https://knack.news/12770

ÜBER DIE VERANSTALTUNG IM EIMSBÜTTELER HAMBURG-HAUS VOM 15. OKTOBER – ANTIFASCHISTISCHE INTERVENTION

Hier folgt eine ausführliche Wiedergabe der Veranstaltung im Hamburg-Haus in Eimsbüttel, zu der unter anderem die AfD mobilisierte. Auf der Veranstaltung ging es um die Unterbringung von ca. 30 Jugendlichen Menschen mit Fluchthintergrund. Unsere Wiedergabe soll auch einen Gegenentwurf zur oberflächlichen Berichterstattung des Hamburger Abendblatts darstellen.

Informationsveranstaltung zu geplanter Unterkunft für 30 Jugendliche mit Fluchthintergrund in Eimsbüttel

Am Dienstagabend dem 15. Oktober fand um 18 Uhr eine Informationsveranstaltung der Sozialbehörde und des Landesbetriebs Erziehung und Beratung (LEB) der Stadt Hamburg statt. Thema war die geplante Unterbringung von 30 minderjährigen Geflüchteten im tiefsten Eimsbüttel am Isebekkanal. Damit würde diese Unterkunft nicht, wie viele andere, an den Rand der Stadt verbannt und sich selbst überlassen werden. Dagegen mobilisierte schließlich die AfD-Fraktion Eimsbüttel, sprach von einer „Flüchtlingsindustrie“ und kündigte an, sie wolle auf der Veranstaltung vertreten sein.

Zu dieser Veranstaltung kamen schließlich mindestens 200 Menschen. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts hatte am Montag auf die Absichten der AfD aufmerksam gemacht, woraufhin verschiedene antifaschistische Zusammenhänge ebenfalls angekündigt hatten, zu kommen. Die Veranstaltenden der Stadt Hamburg baten anschließend um Polizeischutz und sprachen nur davon, dass “verschiedene politische Strömungen“ zur Veranstaltung mobilisiert hatten. Ein Großteil der Besucher*innen der Informationsveranstaltung begrüßten die Unterbringung und brachten wichtige Fragen und Anregungen ein: Zum Beispiel, dass eine Kooperation mit dem Sportverein ETV um die Ecke abgeschlossen werden könne oder dass es Möglichkeiten geben müsse, um mit den untergebrachten Menschen in Kontakt treten zu können. 

Die „besorgten Kritiker*innen“ – oder: Rassismus gibt’s in Eimsbüttel doch gar nicht!

Von rassistischen Untertönen bis offener Agitation gegen Menschen mit Fluchthintergrund keine Spur im “behüteten Eimsbüttel“? Weit gefehlt: Das Hamburger Abendblatt veröffentlichte noch am selben Abend der Veranstaltung einen Artikel mit folgendem Titel: „Flüchtlinge in Eimsbüttel: Kritiker bei Info-Abend heftig angegangen“. An dieser Überschrift allein lässt sich bereits so viel ablesen: Die „Kritiker“ der „Flüchtlinge in Eimsbüttel“ – wer war das jetzt genau? 

Es wurde schnell klar, dass es sich eben nicht um bloße „Kritiker*innen“ handelte, denen es am Herzen lag, das solidarische Zusammenleben zu gestalten. Die besorgten Fragen, die oftmals ellenlangen, “besorgten“ Monologen vorausgingen, bedienten viel eher jegliche rassistische Vorurteile gegenüber Menschen mit Fluchthintergrund. Hier ein paar Beispiele: 

Ein Mann, der offensichtlich zur AfD gehörte oder zumindest (Des)Informationsmaterial der AfD ausgedruckt mitgebracht hatte, ging so weit, einen minutenlangen Monolog über jüdisches Leben in Eimsbüttel zu halten, angefangen mit dem Nationalsozialismus, über die Anschläge von 9/11 – mit dem klaren Ziel, Menschen mit Fluchthintergrund als neue, größte Gefahr für jüdisches Leben in Eimsbüttel darzustellen. Es handelte sich wirklich um eine von Rassismus triefende Wortmeldung. Die Berichterstattung des Hamburger Abendblatts fasste diesen ekelhaften Vorfall wie folgt zusammen: „Besorgtere Anwohner dagegen ließen viele nicht so gern zu Wort kommen. Sie wurden häufig durch Zwischenrufe unterbrochen und auch persönlich angegangen. Zumindest in einem Fall hatte es damit augenscheinlich wirklich den richtigen Mitbürger getroffen.“ Das ist die einzige Äußerung, die sich zu dem AfD-Mann beim Hamburger Abendblatt finden lässt. Ganz im Gegenteil: Was das Hamburger Abendblatt in einem späteren Artikel „Flüchtlinge in Eimsbüttel: Moralische Überlegenheit ist gefährlich“ zu berichten hatte, war vielmehr, dass an diesem Abend Bürgerinnen mit Töchtern „mundtot“ gemacht wurden und dass man ja „alles fragen dürfen“ müsse und nicht alle „gleich rechts“ sein, was übrigens niemand öffentlich behauptet hat. Die vom Großteil der solidarischer Besucher*innen geäußerte Kritik wird vom Hamburger Abendblatt vielmehr als moralische Überlegenheit abgestempelt. Über das Rassismus-Problem, das diese Veranstaltung begleitet hat? Kein einziges Wort, auch im Artikel der Eimsbütteler Nachrichten nicht. Rassismus gibt es in Eimsbüttel ja auch gar nicht. Solide Berichterstattung, nicht wahr? 

Weitere Wortmeldungen sprachen die Sorge um ihre Töchter an, die nachts nun gefährdet seien – ein klassisch rassistischer Gedanke mit viel Geschichte, der eine Menschengruppe unter Generalverdacht stellt und zugleich den falschen Anschein erweckt, die Gefahr vor Übergriffen würde ‚importiert‘. Dass das nicht stimmt, müssen wir euch nicht erzählen und kann auch einfach ganz gut selbst nachgelesen werden. Hier bemühten sich die Veranstaltenden und die Moderation der Veranstaltung, mit Nachsicht auf diese Fragen zu reagieren. Die behüteten Eimsbüttler*innen in Cashmere-Mantel (kein Scherz) wurden gebeten, sich aus ihrer “Blase“ zu bewegen und keine Vorurteile walten zu lassen. Die fundamentale Problematik dieser Aussagen wurde von den Veranstaltenden der Stadt Hamburg nicht angesprochen. 

Vielfältiger antifaschistischer Gegenprotest 

Als die zutiefst rassistische Wortmeldung des AfD-Mannes und den anderen “besorgten Beiträgen“ von den Veranstaltenden kein Einhalt geboten wurde, haben Aktivist*innen ein Banner mit dem Schriftzug „Rassismus bekämpfen. Auf allen Ebenen. Mit allen Mitteln“ im Saal ausgebreitet und hochgehalten. Daraufhin gab es viel Zuspruch aus dem Publikum. Verschiedene Anwohner*innen kritisierten die rassistischen Wortmeldungen und sprachen sich deutlich für die Unterkunft aus. Auch nach der Veranstaltung gab es viele Gespräche mit Besucher*innen und Anwohner*innen, welche Zuspruch signalisiert haben und dankbar waren, dass antifaschistische Gruppen auf der Veranstaltung vertreten waren. Bis auf ein einziges Gespräch nach der Veranstaltung: Da wurde den Aktivist*innen vorgeworfen, sie seien am Ende genauso schlimm wie die AfD, auch das Wort “Diktatur“ wurde geäußert – naja, das war es aber auch schon. Der wirklich lupenreine Rassist versuchte schließlich nach der Veranstaltung, uns zu fotografieren – hat aber nicht so ganz geklappt. Mit diesem insgesamt gewaltigen Zuspruch war die vielfältige antifaschistische Präsenz ein Erfolg! Gerade weil die Zusammenarbeit zwischen antifaschistischen Gruppen und Anwohner*innen mitsamt ihren Überschneidungen so gut funktioniert hat.  

Es ist uns damit sehr wichtig, hervorzuheben, dass bei dieser Veranstaltung viele Menschen zusammengekommen sind, um dieser Dynamik des Rassismus der AfD und jenen ‚besorgten Bürger*innen‘, die in ihre ‚Sorge‘ doch nur Rassismen reproduzieren und sich von ihnen leiten lassen, entgegenzutreten – Studierende, Omas gegen Rechts, Anwohnende, viele mehr. Im Endeffekt waren Menschen verschiedenster Gruppen, verschiedensten Alters aus dem Viertel dort, um ganz klar zu begrüßen, dass Menschen hier aufgenommen werden.

Rassistische Geflüchtetenpolitik der Stadt Hamburg blieb weitgehend unausgesprochen

Die Gegenmobilisierung war damit ausdrücklich auch nicht dazu gedacht, einen Bürger*innentreff als solchen lahmzulegen – das ist ja auch gar nicht passiert. 

Es muss aber auch angemerkt werden, dass die Stadt Hamburg mit ihrer rassistischen Politik wie der Bezahlkarte und der Unterbringung von Geflüchteten in der ZEA Rahlstedt unter teilweise miserablen Bedingungen, und vieles mehr hier mitgedacht werden muss. Dieses Thema bekam bei der Informationsveranstaltung leider keinen Platz, obwohl auch die Möglichkeit dazu da gewesen wäre: So wurde zum Beispiel auch das Unternehmen „Fördern & Wohnen“ angesprochen, das beispielsweise die ZEA in Rahlstedt organisiert – eine Unterkunft, von der wir wissen, dass die Unterbringungsbedingungen teilweise miserabel sind. 

Wir mussten auch feststellen, dass Fragen und rassistischen Beiträgen eine Bühne geboten wurde und diese teilweise auch von den Veranstaltenden dadurch legitimiert wurden, dass ‚ja jede Frage und jede Sorge berechtigt sei‘. Auch das haben mehrere Menschen im Saal direkt kritisiert und nicht unbeantwortet gelassen. Wir sehen – auch wenn das bei Weitem nichts Neues ist – dass lokale Berichterstattung wie die des Hamburger Abendblatts nicht in der Lage zu sein scheint, die wirklichen Probleme, die während dieser Veranstaltung deutlich wurden, anzusprechen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wenn nicht zur Veranstaltung mobilisiert worden wäre, die Veranstaltung von rechten Stimmen gekapert worden wäre. 

Das konnte so verhindert werden, und dafür bedanken wir uns bei wirklich allen, die dazu beigetragen haben!

Alerta Antifascista!